Freie Fahrt für Freiwillige!

Freie Fahrt für Freiwillige!

1 Jul 2020

Wer in Thüringen einen Freiwilligendienst absolviert – sei es ein FSJ, FÖJ, FSJ-Kultur oder FSJ-Politik -, ist auf das Thema Finanzen nicht gut zu sprechen. Gerade einmal 300 Euro Taschengeld bekommt ein*e Freiwillige*r im Monat – sich damit Wohnung, Lebensmittel und Kleidung zu leisten, ist nahezu unmöglich. Thüringen liegt damit deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt, ist unter allen Bundesländern sogar auf dem allerletzten Platz. Aufgrund dieser Tatsache kommt ein FSJ für viele nur bedingt in Frage. Nicht jede*r hat die Möglichkeit, weiter bei der Familie unterzukommen, geschweige denn finanzielle Unterstützung von ihr zu erhalten.

Die sonst so hochbeschworene Chancengleichheit wird hier grundlegend vernachlässigt, auch wenn es für die Politik kein leichtes Spiel ist, daran etwas zu ändern. Der Ursprung des Ganzen liegt in der sogenannten Thüringen Jahr Richtlinie, in welcher beispielsweise das FSJ-Kultur geregelt wird. Diese Richtlinie legt einen Betrag von exakt 300 Euro fest. Daran sind Taschengeldsummen wie die des FSJ-Politik angepasst – dort wäre aufgrund anderer Regularien auch so ein höheres Taschengeld möglich -, um alle gleich zu behandeln. Damit die Erhöhung der Aufwandsentschädigung Freiwilligendienstleistender vollzogen werden kann, müsste die Richtlinie also dementsprechend angepasst werden. 

Dass die Finanzen ein akutes Problem darstellen, erkannte nun auch die Thüringer Landesregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow, welche ankündigte, die Änderung der Richtlinie prüfen zu wollen, um eine Erhöhung des Taschengeldes zu vollziehen.

Ich finde, dies ist eine gute Idee, um zukünftig Freiwillige zu entlasten. Doch es hätte schon längst passieren können! Es ist klar: 300 Euro im Monat sind deutlich zu wenig. Doch wenn man Thüringen beispielsweise mit Berlin vergleicht, ist dort nicht nur mehr Geld am Ende des Monats auf dem Konto. Die Freiwilligen haben zusätzlich die Möglichkeit, für einmalige 365 Euro das Azubi-Ticket zu erwerben, mit dem es ihnen möglich ist, im gesamten Stadtgebiet den ÖPNV zu nutzen. Eine enorme Entlastung, denn so ein Ticket kann monatlich gut mal 100 Euro kosten und ist für die meisten notwendig, um in die Einsatzstelle zu gelangen.

Auch in Thüringen ist diese Idee nicht ganz unbekannt. So gab es bereits zahlreiche Initiativen durch diverse Träger des FSJ sowie deren Freiwilligenvertretungen, um endlich ein sogenanntes Freiwilligenticket zu schaffen. Im Zyklus 2015/16 haben Freiwillige der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung Thüringen e.V. das Konzept „Freie Fahrt für Freiwillige“ entwickelt, um überhaupt auf die schwierige Situation aufmerksam zu machen. Im Mai 2016 wurde daraufhin eine Petition an den Thüringer Landtag gestartet – ein Jahr später liefen die ersten Gespräche mit dem Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft.

Ende 2017 stellten Vertreter*innen der  LKJ Thüringen im Petitionsausschuss des Thüringer Landtags ihr Anliegen vor. Noch im selben Jahr erlangte die Thüringer Initiative bundesweite Bekanntheit, woraufhin mehrere Aktionen zum Motto  „Freie Fahrt für Freiwillige“ ins Leben gerufen wurden. Im April 2019 erhielt die Freiwilligenvertretung der LKJ eine letzte Einladung zum gemeinsamen Austausch mit der Fraktion Die Linke. Dabei wurden sie darüber informiert, dass die Mittel für die Einführung eines Freiwilligentickets – durch die Einbeziehung der Freiwilligen in das Azubi-Ticket – im Haushalt 2020 verankert wurden. Auch bei späteren Veranstaltungen wurde das Ticket von Politiker*innen zur beschlossenen Sache erklärt.

Doch letztendlich: zu früh gefreut. Nur wenige Monate später war das Versprochene Geschichte. „Aufgrund der hohen Nachfrage des Azubi-Tickets, können die Freiwilligen für das Jahr 2020 nun doch nicht berücksichtigt werden“ hieß es aus den Koalitionsfraktionen.

Schade. Hätte das Ticket doch gerade die entlastet, die nun auch ein höheres Taschengeld bekommen sollen. Für mich bedeutet die Monatskarte für Schüler*innen/Azubis – gültig von meiner Heimatstadt Weimar bis in den Thüringer Landtag – monatlich 106,20 Euro bei der Deutsche Bahn zu zahlen. Dazu bekomme ich von meiner Einsatzstelle glücklicherweise einen Fahrtkostenzuschuss von 40 Euro im Monat, was allerdings nur einem geringen Teil der FSJler*innen gewährt werden und nicht die Lösung des Problems sein kann. Die übrigen 66,20 Euro gehen von meinem ohnehin schon geringen Taschengeld ab. Da bleibt für andere Ausgaben nicht viel übrig.

Fazit: um Freiwillige wirklich zu entlasten, sollte das Freiwilligenticket an erster Stelle stehen. Gegen eine Taschengelderhöhung hätte sicherlich niemand etwas, doch für das Ticket kämpfen wir schon so lange, dort sollten nun endlich auch Ergebnisse erkennbar sein.

#freiefahrtfürfreiwillige

Franz Ellenberger

Franz Ellenberger

FSJ-Politik