Arbeitsplätze in der Automobil- und Zulieferindustrie erhalten – Industriestandort Thüringen zukunftsfest machen

Ein Debattenbeitrag von Diana Lehmann

In letzter Zeit nehmen die schlechten Neuigkeiten rund um das Opel-Werk in Eisenach kein Ende. Erst schickt der Mutterkonzern Stellantis die Beschäftigten wegen der anhaltenden Chipkrise bis Ende des Jahres in Kurzarbeit. Dann kündigt die Konzernleitung an, das Werk Eisenach in eigene Gesellschaften auszugliedern. Beide Entscheidungen sind für mich nur schwer nachzuvollziehen.


Zum einen ergibt es betriebswirtschaftlich nur wenig Sinn, die Produktion des Grandland in das Werk im französischen Sochaux zu verlagern. Das dortige Werk hatte dieses Modell längst aus dem Portfolio genommen. Es wird viel Zeit und Geld kosten, die Produktion dort wieder aufzubauen.


Zum anderen entzieht Stellantis mit der Ausgliederung der Werke in Rüsselsheim und Eisenach Opel die Verantwortung für die beiden Produktionsstandorte. Damit reduziert der Konzern die Traditionsmarke Opel auf eine bloße Hülle und kappt die Mitsprache der Gewerkschaften in Sachen Arbeitsbedingungen und Standorterhaltung. Das verheißt nichts Gutes für die Beschäftigten.


Ich bin den Ministerpräsident:innen von Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen deshalb dankbar, dass sie sich in einem offenen Brief für den Erhalt aller Produktionsstandorte stark machen und Transparenz von Stellantis einfordern. Dem kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Immerhin betreffen die Pläne auch die zahlreichen Beschäftigten der Zuliefer- und Dienstleistungsbetriebe. Sie betreffen die Region Westthüringen insgesamt. Dieser Bedeutung muss Stellantis durch ein klares Bekenntnis zum Standort und eine transparente Beteiligung aller Betroffenen gerecht werden.

Gleichzeitig ist es nichts Neues, dass die Automobil- und Zulieferindustrie durch Dekarbonisierung, Elektrifizierung und Digitalisierung in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen steht. Diese lassen sich nur bewältigen, wenn sie an der Seite der Arbeitnehmer:innen politisch begleitet und finanziell flankiert werden. Die Industriearbeitsplätze, in denen zumeist nach Tarif bezahlt wird und in denen es betriebliche Mitbestimmung gibt, müssen durch die Mobilitätswende eine echte Perspektive erhalten.


Dazu gehört es erstens, die Betriebsräte zu stärken und ihr Know-How sowie ihr intrinsisches Interesse an einer positiven Entwicklung des Standortes zu nutzen. Die vom Land finanzierte Technologieberatungsstelle wird deshalb unter anderem gezielt Betriebsrät:innen beraten und qualifizieren, Bedarfe in den Betrieben frühzeitig zu erkennen und die notwendigen Veränderungen anmahnen zu können.


Schon jetzt sind es vor allem die Beschäftigten, die die Lage vor Ort am besten kennen und daher genau wissen, wie die Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebe gesichert werden kann. Das gilt besonders für Werke in Ostdeutschland, deren Management seine Entscheidungen häufig aus der Ferne trifft. Eine starke betriebliche Mitbestimmung ist deshalb die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung der Thüringer Automotiv-Industrie.

Zweitens muss es auch darum gehen, die vergleichsweise kleinen Unternehmen in Thüringen bei der Forschung und Entwicklung neuer Technologien besser zu unterstützen. Schon heute sind das Thüringer Zentrum für Maschinenbau, das Thüringer Innovationszentrum Mobilität, das neue Batterieforschungszentrum am Erfurter Kreuz und die wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen wichtige Partner:innen der Automobilindustrie.

Drittens braucht es ein Kreditprogramm, das speziell auf die Bewältigung des Strukturwandels ausgerichtet ist. Damit können Investitionen und Innovationen für zukunftsfähige Unternehmen auf dem Weg in die neue Mobilitätswelt ermöglicht werden, die an bestehende Kompetenzen der Automobilindustrie anknüpfen und so dazu beitragen, Wertschöpfung und Beschäftigung zu sichern. Bei Unternehmen mit erheblicher regionaler wirtschaftlicher Bedeutung müssen auch Landesbeteiligungen in Betracht gezogen werden.

Klar ist, dass ein kleines Bundesland wie Thüringen diesen Wandel nicht alleine stemmen kann. Sinnvoll ist deshalb eine bundesweite Industriestrategie, die konkrete Transformationsziele setzt und Schlüsselindustrien auf ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützt und fördert. Die Förderung guter Arbeitsbedingungen versteht sich dabei von selbst. Die öffentliche Hand sollte schon jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und die Tarifbindung als Vergabekriterium stärker einbeziehen. Mit einem Transformationskurzarbeitergeld könnten sich Arbeitnehmer:innen, deren Betrieb sich im Umbauprozess befindet, sich gezielt weiterbilden und neue Beschäftigungsfelder erschließen.

Die Thüringer Landesregierung ist bereits dabei, die richtigen Weichen zu stellen. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen lassen hoffen, dass auch die kommende Bundesregierung den Wandel klar an der Seite der Beschäftigten gestalten wird. Mit einem sozialdemokratischen Kanzler und einer breiten Basis ostdeutscher SPD-Abgeordneter erhalten die Beschäftigten in Thüringen einen starken Partner für betriebliche Mitbestimmung und gute Arbeitsbedingungen.


So ärgerlich die Meldungen aus dem Hause Stellantis auch sind: Auf die Sozialdemokratie können sich die Beschäftigten verlassen!

Wahlkreis Suhl / Schmalkalden-Meiningen IV

Sprecherin für Arbeit, Wirtschaft, Tourismus, Rente und Familie