Frauen die gründen, das klingt für viele immer noch exotisch. Doch immer mehr Frauen entscheiden sich für den Weg in die Selbstständigkeit. Laut dem Thüringer Landesamt für Statistik beantragt jede dritte Gewerbeanmeldung eine Frau. Ich finde, das ist eine erfreuliche Entwicklung, denn es sind leider nach wie vor Frauen, die ihre beruflichen Ambitionen zurückstellen. Das hat sich gerade in den letzten Monaten der Pandemie noch einmal gezeigt. Mir ist es – gerade in meiner Funktion als arbeits- und wirtschaftspolitische Sprecherin – wichtig, Frauen gezielt bei Neugründungen sowie bereits erfolgreiche Unternehmerinnen zu unterstützen. Wie das genau aussehen kann, sehe ich mir in den kommenden Tagen bei meiner Unternehmerinnen-Tour an. Dabei werde ich gezielt regionale und von Frauen geführte Betriebe in ganz Thüringen ansehen.
Mich interessiert, wie die Frauen die Pandemie erlebt haben, wie die Unternehmenskultur der von Frauen geführten Betriebe die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert und wie sie damit die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Thüringen für Fachkräfte steigern.
26.4.22: Besuch von MoQuadrat in Erfurt
Bei Vera Niedermeyer und ihrem Laden bin ich Stammgast, logisch also, dass ich im Rahmen meiner Unternehmerinnentour auch bei ihr vorbeigeschaut habe. Das Moquadrat hat fair produzierte Bio-Bekleidung für Kinder, Frauen und Männer. Wie auch für die anderen Frauen, die ich im Rahmen meiner Tour bereits besucht habe, war es auch für Vera kein Gründungsweg frei von Hürden. Da war zunächst das Abenteuer Selbstständigkeit mit kleinen Kindern und schwanger, auch deshalb hat Vera von Beginn an auf festangestellte Mirarbeiter:innen gesetzt. Eindrücklich hat sie mir ihren Weg beschrieben, der sie zunächst von ungünstiger Lage am Stadtrand bis zu ihrem Laden in der Erfurter Innenstadt brachte, von geliehenem Geld vom Schwager, von organischem Wachstum und der wirtschaftlichen und mentalen Talfahrt während der Pandemie. Auch Vera wünscht sich mehr angepasste Angebote für Frauen die gründen wollen, sie selbst habe im Vorfeld der Selbstständigkeit auch an Kursen teilgenommen, wirklich viel genützt haben sie im Nachgang betrachtet allerdings nicht. Vor allem bei dem Thema Selbstständigkeit und Familie wünscht sie sich mehr Austausch und bessere Beratungsangebote.
25.4.22: Fashion made in Saalfeld
Das ist wahrscheinlich nicht das Erste, was man mit Saalfeld verbindet. Warum sich eine junge Modedesignerin aus Mecklenburg-Vorpommern für ein Atelier und Ladengeschäft in der Saalfelder Altstadt entschieden hat, wollte ich unbedingt in einem persönlichen Gespräch erfahren. Also habe ich mich am Montag mit Judith Skodlerak in ihrem Geschäft getroffen. Sie stellt dort hochwertige Frauen- und Männerkleidung her. Das Ladengeschäft ist Verkaufsfläche, Atelier und Kinderzimmer zugleich, denn Judiths kleine Tochter gehört auch zum Team. Das Thema Vereinbarkeit von Selbstständigkeit und Familie liegt der jungen Modedesignerin sehr am Herzen. Für Frauen ist das nochmal eine besondere Herausforderung in der Selbstständigkeit: Mutterschutz, Elternzeit, Kinderkranktage – all das ist für selbstständige Unternehmerinnen nicht vorgesehen. Das muss sich dringend ändern!
Sie spricht auch einen weiteren wichtigen Punkt an, denn sie würde gerne den Schritt von der Solo-Selbstständigkeit zur Arbeitgeberin wagen. Dafür fehlen ihr jedoch Beratungs- und Unterstützungsangebote. Wenn wir wollen, dass mehr Frauen gründen, müssen wir sie auch dabei unterstützen, Entlastung wahrzunehmen.
22.4.22: Besuch bei Linda Hüther in Erfurt
Das spannende am Austausch mit Gründerinnen und Unternehmerinnen sind ihre vielen unterschiedlichen Lebenswege. Das hat mir auch mein Besuch bei der Goldschmiedin Linda Hüthner in Erfurt gezeigt. Sie betreibt in der Erfurter Altstadt, unweit der Krämerbrücke, eine kleine Werkstatt und stellt hochwertigen, minimalistischen Gold- und Silberschmuck her. Gemeinsam mit meinem Erfurter Kollegen Denny Möller habe ich Linda am Freitag besucht. Sie erzählte uns von ihrer Gründung: Nach dem Grafikstudium und einigen Jahren in der Selbstständigkeit zog sie nach Hanau, um eine Ausbildung zur Goldschmiedin zu absolvieren, danach ging es für sie nach Hamburg. Auf einem Heimatbesuch in Thüringen entdecke sie das Ladengeschäft in der Michaelisstraße und entschied sich Hals über Kopf für einen Umzug nach Erfurt. Vier Jahre sind seitdem vergangen. Rückblickend würde sich Linda u.a. mehr Flexibilität und Mut wünschen, Gründerinnen zu unterstützen, die etwas andere Lebenswege haben. Erst ein Studium und dann eine Ausbildung sorgte in ihrer Bank für einiges Kopfschütteln und für die Aussage „Wir fördern nicht rückwärts!“. Dabei geht es für viele Unternehmerinnen doch genau darum: aus ihrer Lebenssituation heraus etwas Neues schaffen. Mittlerweile hat Linda Kund:innen aus ganz Deutschland und aus dem europäischen Ausland. Was sie sich wünscht für ihr kleines Unternehmen? Eine offenere Stadtgesellschaft, die neue Ideen nicht so skeptisch beäugt.
21.4.22: Kanada in Weimar
Der zweite Tag meiner Tour führte mich nach Weimar. Dort habe ich die Kanadierin Tanya Harding vom Maple Bistro getroffen. Sie hat mir davon berichtet, dass es als erfahrene Gründerin, wie sie eine ist, nur wenige Programme gibt, die noch hilfreiche Unterstützung und Beratung liefern können. Geradefür Frauen sind Netzwerkstrukturen wichtig, das wurde in unserem Gespräch noch einmal deutlich. Mentoringprogramme gebe es nur gegen Honorar, das sei bei männlich geführten Unternehmen anders. Außerdem erörterte sie mir, dass es für Gründerinnen in Thüringen auch Standortprobleme gibt, die dringend angegangen werden müssen. Und natürlich leidet die Gastrobranche nach wie vor unter der Pandemie. Das ist auch im Maple Bistro spürbar.
Die zweite beeindruckende Frau, die ich in Weimar treffen durfte, ist Ulrike Köppel von Weimar GmbH. Ihr Unternehmen zählt inzwischen 34 Mitarbeiter:innen. Angefangen hat Ulrike Köppel als junge Frau unter vielen alten Männern. Sie hat so viele Ideen, den Tourismus in Thüringen zu stärken. Gleichzeitig hat sie die Perspektiven von Frauen im Blick. Besonders amüsiert hat mich hier ihr Trick, laute Schuhe zu tragen, damit sie sich, schon wenn sie den Raum betritt Gehör verschafft. Es ist gut zu wissen, dass es Frauen wie sie gibt, die spannende Ideen für die Entwicklung in Thüringen haben und viel Lust und Energie mitbringen, sie anzupacken und umzusetzen.
20.4.22: Tourstart in Jena
Unglaublich spannend – das war mein erster Tag auf meiner Unternehmerinnen-Tour. Ich bin heute in meine Heimatstadt Jena gefahren und habe mich dort mit zwei Gründerinnen getroffen.