Ein Jahr pure Politik? – Von wegen! (Abschlussbeitrag)

Ein Jahr pure Politik? – Von wegen! (Abschlussbeitrag)

3 Sep 2020

Drei Wörter, mit dem ich mein Freiwilliges Soziales Jahr Politik beschreiben würde? Keine Ahnung. Denn drei Wörter sind an dieser Stelle deutlich zu wenig. Ein Jahr, das mich sowohl politisch als auch persönlich enorm geprägt hat. Ein Jahr, welches mir gezeigt hat, wie vielfältig die Arbeit des Thüringer Landtags, der Fraktionen, der Abgeordneten sowie Mitarbeiter*innen ist.

Begonnen hat diese ganze Geschichte im Juni 2019 mit dem Beschluss, nach langen Verhandlungen nun doch nach der Sommerpause ein FSJ-Politik für politisch interessierte junge Menschen anzubieten. Mir war sofort klar, dass genau dieses Angebot das richtige für mich ist und ich bewarb mich dementsprechend. Nach einer Zusage und wenigen weiteren Gesprächen mit Diana Lehmann (parlamentarische Geschäftsführerin) sowie Uwe Schlütter (Fraktionsgeschäftsführer), startete ich am Montag, dem 2. September, hoffnungsvoll in ein Jahr voller … nun ja: Politik. Also fast, wäre da nicht meine Weisheitszahn-OP gewesen. Doch frisch erholt, am 5. September, war es dann endlich soweit. Wir starteten mit ersten verwaltungstechnischen Wegen, zwecks Schlüssel sowie Landtagsausweis, dem sich ein kleiner Rundgang durch den Landtag anschloss.

Nach meiner Zuordnung zur Pressestelle beschäftigte ich mich die ersten Wochen mit verschiedensten Themenfeldern, um schnell so viel wie nur möglich mitzunehmen und legte gemeinsam mit einer weiteren Praktikantin eine Liste aller, im Mai gewählten, Mitglieder der kommunalen Parlamente an. Es war ein regelrechter Katzensprung und wir waren bereits bei der Zeit angekommen, die ich für mich bereits im Vorfeld als die spannendste einordnete: der Landtagswahlkampf. Und das war er auch. Dabei war es mir möglich, Abgeordnete zu einer Vielzahl an Veranstaltungen zu begleiten, aber auch selber Gespräche mit Bürger*innen zu führen. Das allen bekannte, für mich sehr ernüchternde, Ergebnis des 27. Oktober, trieb ein wenig meine Laune in den Keller. Spätestens mit dem folgenden, ersten Bildungsseminar – das große Kennenlernen der anderen Freiwilligen für Politik in Thüringen – war die schlechte Laune aber schlagartig verschwunden.

Darauf kam leider immer weniger Arbeit auf mich zu, denn wir stürzten in das gewohnte Winterloch, welches für einen FSJ‘ler wohl noch extremer ist, als für feste Mitarbeiter*innen. Frisch mit Kraft getankt, startete die Fraktion wie geplant im neuen Jahr die Koalitionsgespräche mit der Linken und Bündnis90/ Die Grünen. Und auch wenn Mensch es nicht glauben mag: eine Mammutaufgabe! Fest entschlossen, auch mit einer Minderheit das Land Thüringen regieren zu können – ein anderes Farbenspiel war nun mal auch keine realistische Option – kandidierte Bodo Ramelow auf Vorschlag der rot-rot-grünen Fraktionen am 5. Februar erneut für das Amt des Ministerpräsidenten. In welch einem Desaster dieser Tag letztendlich ein Ende fand und wieso es als Dammbruch von Thüringen bezeichnet wurde, ist uns allen vermutlich bekannt – bei einer derart heftigsten und langen Medienberichterstattung wohl kaum anders möglich (siehe: Regierungskrise in Thüringen).

Es folgten turbulente, lange Wochen, Gespräche mit den Christdemokraten, die in Umfragewerten einen Tiefpunkt ihres politischen Wirkens wiederfanden. Doch plötzlich: eine Einigung. Der Stabilitätspakt sollte das Jahr bis zur beschlossenen Wahl im April 2021 steuern und gestalten.

Gerade noch rechtzeitig, denn nur wenige Tage später verwandelten sich angesetzte Präsenz-Veranstaltungen in Gespräche via Videokonferenz, ein Großteil aller Mitarbeitenden wurde ins Homeoffice geschickt. Die Krise, vom Virus SARS-CoV-2 gelenkt, dauert bis heute an und wird uns auch die nächsten Jahre weiterhin begleiten. Die Bausteine „Freiwilligendienst“ und „Homeoffice“ in einem Zusammenhang zu verwenden, halte ich noch immer für vollkommen absurd. Klar, um Ansteckungen mit dem bisher unbekannten Virus zu vermeiden, im Nachhinein muss ich allerdings sagen, dass ich aus dieser Zeit keineswegs positiv und glücklich hinausging. Ein kleiner Trost waren die darauffolgenden Plenarsitzungen, das i-Tüpfelchen allerdings meine Teilnahme an verschiedensten Sommertourterminen – meine kleine eigene Sommertour.

Und heute sitze ich nun hier und blicke auf ein sowohl anstrengendes als auch spannendes, hochpolitisches, atemberaubendes Jahr zurück. 2 Legislaturen, 30 Plenartage, 34 Fraktionssitzungen, 216 Arbeitstage sowie 1700 Arbeitsstunden durfte ich hier erleben. Danke an alle, die mir das Alles möglich gemacht haben – die versucht haben, das Beste aus allem rauszuholen: es hat sich wahrhaftig gelohnt. Ich ziehe nun weiter: raus aus dem Landtag, rein in die Uni. Nach Dresden oder Berlin soll es gehen (wenn’s klappt). Jedoch nicht unbedingt, um dem „Theater“ im nächsten Jahr auszuweichen (naja, ein wenig irgendwie ja schon), sondern um sich darauf zu freuen, irgendeinmal wieder hierher zurück zu kehren.

Es war mir eine Freude.
Auf bald!

Franz Ellenberger

Franz Ellenberger

FSJ-Politik